Die Schlange windet sich um den halben Block. Es ist ein warmer Dienstagabend im kalifornischen San José. Am Tag zuvor hat Apple-Chef Tim Cook hier um die Ecke Apples Entwicklerkonferenz WWDC eröffnet. Einen kurzen Fußweg vom Konferenzgelände entfernt stehen einige Hundert vor allem junge weiße Männer vor dem California Theatre an. Viele von ihnen tragen graue T-Shirts mit der Aufschrift Daring Fireball. Ein Passant fragt: "Wofür stehen die denn hier an?"

Für eine Podcast-Aufzeichnung.

Zur WWDC kommen 5.000 Entwicklerinnen und Entwickler nach San José. Wie in jeder Szene gibt es auch in dieser Stars. An jenem warmen Dienstagabend tritt im California Theatre einer der größten Stars der Apple-Szene auf: John Gruber.

Gruber war früher einmal Softwareentwickler und -designer. 2002 fing er an, ein Blog zu schreiben. Er nannte es Daring Fireball, wagemutiger Feuerball, weil er den Namen cool fand. Bis heute hat sich Grubers Seite kaum verändert, der Hintergrund ist asphaltgrau, die Schrift serifenlos, sie ist bis heute nicht für Smartphones oder Tablets optimiert.

Die Leute lesen ihn trotzdem. Nicht, weil er die besten Gerüchte hat – die finden Apple-Fans woanders. Nicht, weil er eindrucksvolle Videotests der neuen iPhones dreht – das erledigen die großen Tech-Seiten. Gruber recherchiert auch keinen Skandalen hinterher wie die Tech-Reporter der New York Times

Er verlinkt die wichtigsten Artikel, die sich mit Apple befassen und sagt seine Meinung dazu. Er schreibt konzise und bissig. Gruber ist so ein Typ, der früher ganz hinten in der Klasse saß und zwar nicht immer die richtige Antwort hatte, aber wenigstens einen lässigen Spruch.

2,5 Millionen Mal wird Daring Fireball pro Monat aufgerufen. Das ist wenig im Vergleich zu den riesigen Tech-Seiten, die Dutzende Millionen Aufrufe haben. Aber innerhalb der Apple-Szene ist keine Stimme wichtiger als seine.

Neben seinem Blog betreibt er auch einen Podcast: The Talk Show. Jede Woche spricht er darin stundenlang mit einem Gast über Apples Produkte und die Neuigkeiten in der Tech-Szene – oder auch mal eine halbe Stunde über Baseball. 75.000 Menschen hören ihm jede Woche dabei zu. The Talk Show steht auch, von Glühbirnen beleuchtet, über dem Eingang des California Theatre, vor dem die lange Schlange steht. Gruber zeichnet an diesem Abend hier seine jährliche Liveshow auf. Als er die erste Hälfte der Tickets online stellte, waren sie nach 90 Sekunden ausverkauft.